Im Gespräch mit Bundeskanzler Olaf Scholz

Im Gespräch mit Bundeskanzler Olaf Scholz

Bundeskanzler Olaf Scholz im Gespräch auf Augenhöhe

Im Gespräch mit Bundeskanzler Olaf Scholz in seiner Funktion als direkt gewählter Abgeordneter

Seit 2021 vertritt Bundeskanzler Olaf Scholz, geboren am 14. Juni 1958, als direkt gewählter Abgeordneter auch die Bürgerinnen und Bürger des Wahlkreises 61 im 20. Deutschen Bundestag. In seiner Funktion als Abgeordneter nimmt er regelmäßig Termine in der brandenburgischen Landeshauptstadt Potsdam, in Potsdam-Mittelmark und Ludwigsfelde wahr und lädt die Bürgerinnen und Bürger einmal im Quartal zum Gespräch ein.  

Sehr geehrter Herr Scholz, bei der letzten Bundestagswahl haben Sie ein Direktmandat für den Wahlkreis Potsdam errungen. Könnten Sie unseren Leser:innen dieses Engagement auf Augenhöhe beschreiben? Wie lässt sich der Unterschied zu Ihrer Verantwortung als Bundeskanzler auf den Punkt bringen, der das „große Ganze“ im Blick haben und in schwierigen Zeiten immer wieder tragfähige Kompromisse bei politischen Entscheidungen finden muss? „Ich finde, es ist eine gute Tradition, da zu kandidieren, wo man wohnt. Das habe ich immer so gemacht, früher als Hamburger und jetzt als Potsdamer. Hier bin ich mit meiner Frau Britta Ernst zuhause, kaufe ein und gehe joggen. Regelmäßig besuche ich Unternehmen oder Schulen oder lade die Bürgerinnen und Bürger zum Gespräch ein. Ich bin überzeugt, in bewegten Zeiten wie diesen ist es wichtig miteinander ins Gespräch zu kommen und im Gespräch zu bleiben.“  

Die ZWST hat sich sehr über Ihren Besuch im neuen Synagogenzentrum Potsdam gefreut. Wie schätzen Sie die Bedeutung dieser neuen Einrichtung für die jüdischen Communities in Potsdam und Brandenburg ein? „Seit Anfang Juli hat jüdisches Leben in meinem Wahlkreis, im Herzen Potsdams, diesen einen festen Ort. Das berührt mich sehr. Dass die Schaffung des Synagogenzentrums, nach Faschismus und Nationalsozialismus und der Zerstörung jüdischen Lebens in Deutschland und ganz Europa wieder möglich ist, ist ein Zeichen, das Hoffnung macht.“

Nach dem Massaker am 07. Oktober hat der Antisemitismus in Deutschland nochmal eine neue „Qualität“ gewonnen, tritt in Form eines israelbezogenen Judenhasses offener zutage und ist in allen Bevölkerungsschichten zu finden. Was kann die Politik aus Ihrer Perspektive dem konkret entgegensetzen? Wie könnten Sie als Wahlkreisabgeordneter in Brandenburg Einfluss nehmen? „Der Schlüssel ist und bleibt Bildung. Dabei geht es zuallererst um die Erinnerung an das von Deutschen begangene Menschheitsverbrechen der Shoah. Die Erinnerung an sie muss zentral in den Bildungseinrichtungen unseres Landes, natürlich auch in den Schulen meines Wahlkreises, wachgehalten werden. Ohne Zeitzeugen wird dieser Auftrag in Zukunft nur noch dringender. Neben der Vermittlung von Fakten geht es dabei um die Vermittlung der Verantwortung, die sich aus unserer Geschichte ergibt, einer Verantwortung, die jede und jeder in unserem Land wahrnehmen muss – unabhängig von der eigenen Herkunft und dem eigenen sozialen oder kulturellen Hintergrund.“

In Sachsen, Thüringen und Brandenburg wurde im Herbst 2024 gewählt. Die AfD hat im Osten besorgniserregende Erfolge zu verzeichnen, der „rechte und braune Rand“ ist schon lange keine Randerscheinung mehr. Auf der anderen Seite stehen die als offen extremistisch eingestuften Flügel der AfD unter Beobachtung des Verfassungsschutzes. Inwiefern beeinflusst das Ihrer Meinung nach das Wählerverhalten? „Die Ergebnisse für die AfD in Sachsen, Thüringen und auch Brandenburg bereiten Sorge, insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Verfassungsschutz die AfD inzwischen bundesweit als rechtsextremistischen Verdachtsfall führt. Daran kann und darf sich unser Land nicht gewöhnen.“

Wie kann dem wachsenden Rechtspopulismus, insbesondere in den östlichen Bundesländern, entgegengewirkt werden, um den gesellschaftlichen Zusammenhalt in Deutschland nachhaltig zu stärken und zu festigen? „Viele sind unsicher, wie die Zukunft sein wird – ihre eigene und die ihrer Kinder und Enkel. Wir tun alles dafür, dass sich alle darauf verlassen können, auch in 10, 20, 30 Jahren noch gute Jobs zu haben. Und wir müssen denen entgegentreten, die Unfrieden stiften und die Gesellschaft spalten wollen.“

Ein Blick in die Zukunft: Welche Potenziale sehen Sie neben all den Herausforderungen in der Entwicklung der ostdeutschen Bundesländer? „Ostdeutsche wissen, was Veränderung bedeutet und wie sie geht. Sie waren es, die 1989 mit ihrem Mut dieses Land und diesen Kontinent für immer verändert haben. Ostdeutschland ist heute eine Region im Vorwärtsgang. Sie gilt vielerorts zurecht als einer der attraktiven Wirtschaftsstandorte Europas.“

Herzlichen Dank für das Gespräch ! HvB, ZWST