Bereicherung des 3. Lebensabschnittes
In den Jahren 2000-2022 ist der Anteil der über 60jährigen Gemeindemitglieder von 33 % auf 48 % gestiegen, in der absoluten Mehrheit Zugewanderte. Sie bilden eine wichtige Säule für die jüdische Gemeinschaft, indem sie die Gemeinden mit ihrem ehrenamtlichen Engagement bereichern. Ein Beispiel sind die in den meisten jüdischen Gemeinden aktiven Seniorenklubs, aus denen heraus wieder andere Aktivitäten ihren Ausgang nehmen, wie die Gründung von Tanzgruppen, Chören, Selbsthilfegruppen und Treffpunkten für Überlebende des Holocaust.
Das freiwillige Engagement der älteren Generation ist nicht nur für die jüdische Gemeinschaft eine wichtige Bereicherung, sondern auch bei den Senior:innen selber kann es der Gefahr einer isolierten Lebenssituation im Alter entgegenwirken. Die ZWST organisiert Seminare zur Förderung und Unterstützung der ehrenamtlichen Seniorenarbeit.
Das Engagement der ZWST für die ältere Generation bekommt ein besonderes Gewicht aufgrund der speziellen Situation älterer Zugewanderter. Sie stammen ursprünglich aus Metropolen wie Moskau, St. Petersburg oder Kiew, sind jetzt oft Mitglieder kleinerer Gemeinden und leben z.T. dezentral in kleineren Orten mit wenig mobilen Möglichkeiten und einer mangelnden sozialen und gesellschaftlichen Angebotsstruktur. Dazu kommt die Tatsache, dass die meisten der älteren jüdischen Migrant:innen Grundsicherung erhalten und sozialpolitische Einschnitte stark zu spüren bekommen. Vor allem für Personen im dritten Lebensalter verstärkt diese Lebenssituation die Gefahr von Isolation und Einsamkeit und daraus resultierend eine psychische und physische Instabilität.
Das Angebot:
- Förderung des ehrenamtlichen Engagements
- Bildungsaufenthalte im Kurheim Beni Bloch
- Angebote für spezifische Zielgruppen: Überlebende der Shoah, sozial schwache ältere Gemeindemitglieder, Personen mit einer dementiellen Erkrankung, ältere Menschen mit Behinderung
Bildungsaufenthalte im Kurheim Beni Bloch
Zum Angebot der ZWST gehören Bildungsaufenthalte für die ältere Generation im Kurheim Beni Bloch im unterfränkischen Bad Kissingen. Um aufgrund der Zuwanderung Anfang der 90er ihr Angebot für Senioren zu erweitern, eröffnete die ZWST 1993 das Kurheim, bis heute die einzige koscher geführte, jüdische Einrichtung dieser Art in Deutschland. In familiärer Atmosphäre kombinieren die Programme integrative Weiterbildung im Bereich Sprache, Kultur, Gesundheit und Politik mit gruppenpädagogischen Aktivitäten wie Tanz, Gesang, Theater, Ausflügen und Gesprächsrunden. Die Teilnehmenden werden motiviert, eigene gruppendynamische Maßnahmen im Bereich sozialer Integration und Freizeitgestaltung zu organisieren und durchzuführen. Im Fokus steht weiterhin die anschauliche und lebendige Vermittlung jüdischer Traditionen und Bräuche, die viele Teilnehmende in ihren Herkunftsländern nicht offen gestalten und ausleben konnten. Dazu gehört das gemeinsame Erleben des wöchentlichen Schabbats und besondere Veranstaltungen anlässlich jüdischer Feier- und Gedenktage.
Ein Teil der Bildungsaufenthalte richtet sich an spezifische Zielgruppen und hat besondere Schwerpunkte im Programm.
Das Kurheim steht auch Privatgästen und anderen jüdischen Organisationen zur Verfügung, insbesondere zu Pessach und Rosh Hashana.
Die ZWST bietet in Bad Kissingen ein zusätzliches, niedrigschwelliges Betreuungsangebot (NBA) an. Dieses niedrigschwellige Betreuungsangebot ist eine abrechenbare Leistung nach dem Pflegeversicherungsgesetz.
Kurheim Beni Bloch
Telefon: 0971 / 71 72-0 : Telefax: 0971 / 71 72-72
E-Mail: kurheim-benibloch@zwst.org
Eine Einrichtung der Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland e.V.
Bildungsaufenthalte in Bad Kissingen
Treffpunkte für Überlebende der Shoah
Die ZWST fördert den Aufbau und die Arbeit von "Treffpunkten" für Überlebende der Shoah in den jüdischen Gemeinden. Sie bieten den Überlebenden und ihren Familien einen Ort für Kontakt und Austausch, erleichtern ihnen den Zugang zu sozialen, kulturellen und religiösen Angeboten und bieten eine spezielle Beratung und Betreuung an.
Das erfolgreiche Konzept findet seinen Ursprung im Treffpunkt in Frankfurt/M., der im Jahr 2002 als Pilotprojekt der ZWST gegründet wurde. Diese Einrichtung leistet einen wichtigen Beitrag zu der psychosozialen Versorgung der häufig schwer traumatisierten Senior:innen. Der Frankfurter Treffpunkt ist für viele Besucher zu einem wichtigen Bestandteil ihres sozialen Lebens geworden, für viele der einzige Kontakt zu anderen Menschen ihrer Generation. Neben dieser wichtigen Funktion versteht sich der Treffpunkt auch als Brücke zu bestehenden sozialen Angeboten und Diensten.
In Kooperation mit verschiedenen jüdischen Gemeinden hat die ZWST weitere Treffpunkte initiiert. Mittlerweile gibt es über 30 Treffpunkte in ganz Deutschland, die von der ZWST unterstützt werden, weitere befinden sich im Aufbau.
"Ich weiß aus Erfahrung, wie wichtig für die Überlebenden ein Treffpunkt ist, der ihnen eine Begegnung mit Schicksalsgenossen und mit einem einfühlenden Betreuerteam ermöglicht. Dieser Treffpunkt wird dadurch zu einem zweiten Zuhause, wo man sowohl traurig sein und von dem Holocaust sprechen kann, als auch fröhlich sein und Feste feiern kann." (Dr. Martin Auerbach, Psychiater, Psychotherapeut und klinischer Leiter des Zentrums "Amcha" für Überlebende in Israel)