Humanitäre Hilfe: Nach dem Vulkanausbruch auf La Palma
Stärkung psychosozialer Kapazitäten als zentraler Bestandteil der Katastrophenvorsorge
Hinter den weißen Mauern der Schule in Los Llanos zeichnen sich im Hintergrund die Silhouetten des Vulkans ab, der im September 2021 durch gewaltige Eruptionen ganze Dörfer unter Lavaströmen begrub. Viele Menschen flohen und ließen alles zurück, was sie besaßen. Die Tourismusbranche und die Landwirtschaft waren hier eine der wichtigsten Einnahmequellen. Durch den Ausbruch verloren viele von ihnen ihre Bananenplantagen, Cafés oder Restaurants. Die psychischen Nachwirkungen waren und sind für viele Familien schwer zu bewältigen. Vor allem Kinder, belastet durch traumatische Erfahrungen, müssen sich z.T. immer noch an ein neues Umfeld gewöhnen. Hier setzt seit Februar 2022 die Unterstützung durch IsraAID Germany und die ZWST an, gefördert von Aktion Deutschland Hilft e.V. Das Projekt beinhaltet die psychosoziale Unterstützung der Kinder und Schulungen von Lehrkräften im Umgang mit dem hohen Stressniveau ihrer Schüler:innen, basierend auf theaterpädagogischen und kunsttherapeutischen Konzepten.
Das Projektteam besteht primär aus lokalen Mitarbeitenden, die in der Gemeinschaft vor Ort gut vernetzt sind. Durch seinen theaterpädagogischen Ansatz führt Rafael Kinder und Jugendliche an einen spielerischen Umgang mit ihren Erlebnissen und Emotionen heran. Dieser Ansatz dient als ideale Basis für die Kunsttherapie im Rahmen des Projektes. Rafael ist selbst Spanier und sammelte als Schauspieler breite Erfahrungen im Bereich der Theaterpädagogik. Er war bereits vor dem Vulkanausbruch auf La Palma in diesem Bereich aktiv. In der Gemeinschaft ist er gut vernetzt, wenn er in der Stadt unterwegs ist, grüßen ihn die Menschen an jeder Ecke. „Durch den Einstieg bei IsraAID Germany konnte ich meine Tätigkeiten viel zielgerichteter einsetzen und weiterentwickeln. Vielen Kindern, Jugendlichen, aber auch Erwachsenen ist der fokussierte Umgang mit den eigenen Erlebnissen und Emotionen fremd. Doch gerade im Kontext von Naturkatastrophen, ihren Folgen und vor allem auch der Angst vor Kontrollverlust bei erneuten Katastrophen spielt die mentale Gesundheit und die Resilienz der lokalen Bevölkerung eine wichtige Rolle.“ Die Workshops für die Lehrkräfte bieten ihnen die Gelegenheit, die Folgen dieser Naturkatastrophe in ihrem beruflichen Alltag zu reflektieren und die Beziehungen zu ihren Schüler:innen zu vertiefen. „Wir vermitteln ihnen beispielsweise, wie sie Methoden der Kunsttherapie in ihren alltäglichen Unterricht integrieren können, um den Stress der Kinder und Jugendlichen zu reduzieren“, sagt Nina, die das Projekt vor Ort koordiniert. Die gebürtige Ukrainerin lebt seit einigen Jahren auf der Insel. Als Lehrerin ist sie ebenfalls eng mit den Menschen vor Ort vertraut. „Die Integration in das multikulturelle und multiprofessionelle Team von IsraAID Germany hat uns sehr geholfen, unsere Arbeit auszuweiten und vor allem auch längerfristig zu gestalten. Auf diese Weise konnten wir die Bevölkerung erfolgreich für die Relevanz der Aufarbeitung der psychosozialen Folgen des Vulkanausbruchs sensibilisieren und gezielte Hilfsmaßnahmen anbieten”, berichtet Nina weiter.
Lessons Learned-Prozess: Länderübergreifender Austausch über Erfahrungen im Umgang mit Katastrophen
Die Häufigkeit und das Ausmaß von Naturkatastrophen nehmen weltweit zu. Im Sommer 2022 wurde mehr europäischer Wald zerstört wurde als je zuvor in den Aufzeichnungen. Der aktuelle Sommer hat diese Entwicklungen noch verstärkt. Im Sommer 2023 mussten auch auf La Palma bereits über 4000 Menschen aufgrund von unkontrollierten Waldbränden evakuiert werden. Neben staatlichen Strukturen zur Bewältigung von Naturkatastrophen spielen freiwilliges Personal und Gruppen auf Gemeindeebene eine wichtige Rolle bei der Prävention und Sichtung von Waldbränden.
Das Projekt auf La Palma geht von September bis November 2023 in eine abschließende Phase. Hier wurde die Möglichkeit erkannt, einen länderübergreifenden Austausch über gewonnene Erfahrungen im Umgang mit Naturkatastrophen auf Gemeindeebene zu initiieren. Neben dem aktuellen Projekt auf La Palma hat IsraAID Germany bereits 2021 ein Projekt in Griechenland durchgeführt, um lokale freiwillige Strukturen aufzubauen. Ein im Sommer 2023 in Griechenland neu gestartetes Projekt baut auf den Erfolgen des Vorgängerprojektes auf und schult freiwillige Gruppen bezüglich des Umgangs und der Prävention von Waldbränden (Volunteer Rescue Teams). - Um den Zugang zu den auf La Palma aufgebauten lokalen Strukturen effektiv zu nutzen, sollen Erfahrungen mit örtlichen Freiwilligenorganisationen auf La Palma, dem Projektteam sowie den Akteuren des abgeschlossenen Projekts in Griechenland ausgetauscht werden, um besser vorbereitet zu sein und auf Katastrophen reagieren zu können. Diese Vernetzung spielt eine umso größere Rolle, da die Zunahme von Katastrophen, u.a. verursacht durch die Klimakrise und resultierende Wetterextreme, absehbar ist. Zu diesem Zweck wurde die Projektlaufzeit verlängert und geeignete Formate werden gemeinsam entwickelt.
Aron Würfel, IsraAID Germany e.V.