12 Jahre Omanut

12 Jahre Omanut

Team vom Kunstatelier Omanut

Ein Teamportrait

Das Berliner Kunstatelier Omanut organisiert seit 12 Jahren eine künstlerisch orientierte Tagesbetreuung, gefördert von Aktion Mensch e.V. Es ist offen für alle, die aufgrund einer Behinderung, einer Lebenssituation oder einer Krise einen geschützten familiären Raum suchen, ihren Tagen Struktur geben möchten und kreativ arbeiten wollen: im Malatelier sowie in der Kerzen- oder Holzwerkstatt. Ausflüge und sogar eine kleine Reise gehören auch zum Angebot. Darüber hinaus sind alle willkommen, die Beratung, Kontakt und Austausch in jüdischer Atmosphäre suchen. Omanut bietet rund 20 Teilnehmenden zwischen 20 und 80 Jahren die Möglichkeit, ihre Potenziale zu entfalten. Das Omanut als besonderer Ort gelingt mit einem engagierten Team:

Judith Tarazi (57, Grafikerin, Kunsttherapeutin, Sozialarbeiterin, seit 2012 Leiterin des Ateliers): „Ich kann mir keine schönere Arbeit vorstellen: Menschen die Möglichkeit zu geben, sich künstlerisch auszudrücken, in Kommunikation mit anderen zu treten, eine gute Zeit in warmer Atmosphäre zu verbringen und bei Bedarf auch beraten zu werden. Das klappt nur in einem Team, das sich kennt, vertraut und gut versteht.“

Inessa Gorodetskaja (60, Dipl.Ingenieurin aus Belarus, seit Gründung pädagogische Fachkraft im Omanut): „Mir ist es wichtig, dass sich jede:r als Künstler:in fühlt, es gibt kein Richtig oder Falsch, sondern Vielfältigkeit und Individualität. Wir sind ein Ort für Begegnungen, Gespräche, Kreativität in einem jüdischen Umfeld. Wir bieten den Teilnehmer:innen die Möglichkeit, ihre Werke in der Öffentlichkeit zu präsentieren und die Wertschätzung der Gesellschaft zu wahrzunehmen.“

Vera Rey (65, Grafikerin, Studium Visuelle Kommunikation, therapeutische Kunstpädagogin, seit 2012 künstlerisch-pädagog. Begleitung u. EUTB-Beratung): „Mich motiviert jeden Tag aufs Neue die abwechslungsreiche Arbeit. Ich will das Herz unserer Teilnehmer:innen erreichen und sie gleichzeitig darin fördern, ihre Ressourcen zu entdecken und ihr Selbstwertgefühl mit viel Freude an ihrem Schaffen zu stärken.“

Boris di Lizio (geb. in Frankreich, lebt seit 22 Jahren in Berlin, seit 2016 im Team): „Wenn ich an das Atelier denke, sehe ich einen hohen Baum mit stabilen Wurzeln und viel Raum für grüne Blätter. Im Talmud steht geschrieben ‚Ein Baum wächst in verschiedene Richtungen`. So ist Omanut für mich.“

Ziva Maier (geb. in Israel, lebt seit 2014 in Berlin, ist seit 2016 im Team): „Das Atelier ist für mich mein zweites Zuhause.“

Jörg Kaminski (56, hat einen handwerklichen u.kaufmännischen Hintergrund, zwischenzeitlich EU-Rentner. Er ist seit 2012 im Team, zunächst ehrenamtlich, dann im Rahmen eines Minijobs): „Meine Schwerpunkte sehe ich in der Kommunikation und Beratung. Insbesondere im Erkennen und Stärken von Ressourcen, also im aktiven Empowerment, der Hilfe zur Selbsthilfe, auch im Rahmen der EUTB-Beratung.“

Im Jahr 2022 wurde vieles wieder organisiert, was aufgrund der Pandemie nicht stattfinden konnte: Dazu gehörten ein festlicher Seder im Atelier zu Pessach und ein Stand des Ateliers im Rahmen des Israel-Tages der Deutsch-Israelischen Gesellschaft. Der RBB drehte eine Dokumentation über das Atelier, die im Abendprogramm in der Sendung Studio 3 ausgestrahlt wurde. Zu Jom HaShoah haben sich die Teilnehmenden und das Omanut-Team an der öffentlichen Namenslesung der ermordeten Berliner Jüdinnen und Juden beteiligt. Inspiration brachte ein Ausstellungsbesuch in der Berliner Gemäldegalerie. Für die Menschen in der Ukraine wurde eine große Menge lang brennbarer Kerzen erstellt und als Spende mit den von Berlin aus organisierten Hilfstransporten in die betroffenen Gebiete gebracht.

Digitalisierung: Die Pandemie hat deutlich gemacht, wie wichtig digitale Kenntnisse sind. Der Kenntnisstand der Teilnehmer:innen des Ateliers ist diesbezüglich heterogen. Um die Teilhabe zu fördern, findet ein von Aktion Mensch unterstützter, wöchentlicher Digitalisierungskurs unter der Leitung eines IT-Pädagogen statt. Hier werden praktische Fragen rund um Computer-, Tablet- und Handynutzung, aber auch theoretische Grundlagen wie zum Beispiel der Datenschutz thematisiert.

Jüdische Galerie Omanut: Die Galerie ist Ausstellungsort des Ateliers und bietet als kulturelle Dependance des Berliner Büros der ZWST auch Künstler:innen mit Behinderung aus anderen Organisationen und jüdischen Künstler:innen in Berlin eine Ausstellungsplattform. Ende Juli endete die Mosaikausstellung des Ateliers mit einer gut besuchten Finissage. Aktuell befindet sich ein Kunstprojekt mit der Künstlerin Shlomit Lehavi in der Planung. Es handelt sich um eine Installation zum Thema Dschungel, die in der Galerie Anfang 2023 stattfinden wird - eine Kombination aus Malerei, Kostümen, Musik und Rauminstallation.

Die Netzwerkarbeit im Kunstatelier Omanut und im Rahmen der EUTB konnte im Jahr 2022 mehrheitlich wieder in Präsenz stattfinden. Dazu gehörten der Austausch im Fachforum der AWO für Migration und Behinderung, im selbstverwalteten Berliner EUTB-Netzwerk und auf bezirklicher Ebene im Behinderten- und Migrationsbeirat.

 

BMAS besiegelt „Aus“ für die Ergänzende Unabhängige Teilhabeberatung (EUTB)

In den Räumen des Omanut unterstützt das niedrigschwellige Beratungsangebot EUTB seit 2018 Menschen mit Behinderung, von Behinderung bedrohte Menschen, aber auch deren Angehörige kostenlos in allen Fragen der Rehabilitation und Teilhabe. Die kultursensible, mehrsprachige und auf Personen mit Migrationshintergrund spezialisierte EUTB fällt nun einer neuen Förderrichtlinie zum Opfer, die einzig und allein einer quantitativ gleichmäßigen Verteilung je Bundesland folgt. Noch 2019 hatte Staatssekretärin Kerstin Griese bei ihrem Besuch den Willen ihrer Behörde, des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS), das EUTB-Programm nicht nur zu verlängern, sondern auch mit besseren finanziellen Mitteln auszustatten, bekräftigt. Dieser Wunsch wird sich nun nicht erfüllen. Das BMAS hat das Aus für die einzige Ergänzende Unabhängige Teilhabeberatung in jüdischer Trägerschaft besiegelt. Angesichts der großen Nachfrage, gerade auch für Menschen mit Behinderung und Migrationshintergrund, bedauert die ZWST diese politische Entscheidung.