Editorial von Aron Schuster, Direktor der ZWST, Ausgabe 3-2024
Liebe Leserinnen und Leser, liebe Freunde, zu Rosch Haschana blicken wir gleichermaßen hoffungsvoll und skeptisch auf das neue jüdische Jahr 5785. Das barbarische Massaker der Hamas an Simchat Thora vor einem Jahr und die drauffolgende weltweite Welle antisemitischer Gewalt haben die jüdische Gemeinschaft verunsichert, enttäuscht, traumatisiert - aber auch wütend gemacht. Viele haben sich isoliert, wurden allein gelassen, waren Hass auf offener Straße ausgesetzt, geplagt von Zukunftsängsten oder erlebten Retraumatisierungen. Ein weitgehend gesamtgesellschaftliches Bewusstsein für die Ausmaße dieser Katastrophe blieb aus. Große Teile der Mehrheitsgesellschaft waren zu leise, manche gar stumm und einige warteten nur darauf, ihren antisemitischen Doppelstandards freien Lauf zu lassen.
Die Programme, Angebote und Veranstaltungen der ZWST bieten vielen Menschen Halt, Zuversicht und Unterstützung in diesen schweren Zeiten. Geschütze Räume, in denen Menschen ihre Sorgen und Erfahrungen teilen können, waren und sind wichtiger denn je. Die zahlreichen Rückmeldungen antisemitischer Vorfälle im Schulkontext während der Bildungsaufenthalte in den Sommerferien unterstreichen den immensen Bedarf, Erlebtes zu verarbeiten, aber auch das Erfordernis professioneller Intervention.
Nach unzähligen Erfahrungsberichten, Rückmeldungen und Einschätzungen auf Seminaren und Veranstaltungen der ZWST in den letzten Monaten muss man konstatieren: Die jüdische Gemeinschaft ist willens und entschlossen, sich nicht entmutigen zu lassen und trotz aller Rückschläge weiterzumachen. Die Sommermachanot mit über 1.000 Teilnehmenden, das zweite große Chorfestival mit 12 Gemeindechören, der 6. Jewish Women Empowerment Summit oder die Inbetriebnahme des Synagogenzentrums in Potsdam machen deutlich: Die jüdische Gemeinschaft ist resilient und widerstandsfähig, wenngleich es viel Kraft und Zeit brauchen wird, Vertrauen wiederaufzubauen.
Für das kommende Jahr 5785 sehnen wir uns umso mehr nach einem friedvolleren Miteinander, stabilen politischen Verhältnissen und einem Alltag, der nicht von Antisemitismus, in welcher Form auch immer, beeinträchtigt wird. Vermutlich werden sich diese Sehnsüchte so schnell nicht realisieren lassen, umso mehr wird es auch zukünftig eine starke und verlässliche ZWST brauchen, um Krisen zu bewältigen.
Ich wünsche Ihnen und Ihren Lieben ein glückliches, gesundes und vor allem friedvolleres Neues Jahr. Möge 5785 für uns alle leichter werden. Shana Tova umetuka. Ihr Aron Schuster, Direktor der ZWST