"Derech" - Entdecke deinen eigenen Weg

"Derech" - Entdecke deinen eigenen Weg

Drei Jungs lächeln von oben in die Kamera

Sommermachanot mit rund 1000 Teilnehmenden von 8 bis 18+

In der diesjährigen Sommer-Saison 2025 von Anfang Juli bis Anfang September erreichte die ZWST 974 Teilnehmende, begleitet von 220 Leiter:innen, Betreuer:innen, Chugisten (AG-Leitungen) und weiteren Helfer:innen. Dazu gehörten die Bildungsaufenthalte im Max-Willner-Heim in Bad Sobernheim für die 8- bis 11jährigen sowie in der norditalienischen Emilia-Romagna für die Altersgruppen 12-18 Jahre. Zur Sommersaison in Italien gehörten weiterhin die „Ferienwoche 18+“ für junge Erwachsene, ein Nachbereitungsseminar für das gesamte Team sowie ein Treffen des ZWST Youth Board mit der Übergabe des alten an den neuen Board. 

Die Sommermachanot 2025 der ZWST fanden in Bad Sobernheim und Igea Marina unter dem Motto „Derech“ statt - im Hebräischen „der Weg“. „Wisse, woher du kommst und wohin du gehst“ (Pirkei Avot 3:1, Sprüche der Väter) – dieser Satz bringt auf den Punkt, worum es bei unserem diesjährigen Machane-Thema „Derech“ ging: Unsere Geschichte kennen, um unsere Zukunft zu gestalten. 80 Jahre nach der Befreiung von Auschwitz erinnern wir uns an die Shoa – nicht, um in der Opferrolle zu verharren, sondern um Verantwortung zu übernehmen. Judentum bedeutet nicht Stillstand, sondern Bewegung, Entwicklung, Zukunft. Derech steht für unseren Weg als jüdische Gemeinschaft: verwurzelt in Erinnerung, getragen von Vielfalt, gestaltet mit Hoffnung und Mut. Es geht darum, die Vergangenheit zu ehren und gleichzeitig mit frischem Geist, Kreativität und Zuversicht voranzugehen.

Jede:r ist eingeladen, den eigenen Weg zu entdecken – seinen/ihren Derech – mit Blick zurück und Schritt nach vorn. Die Jugendlichen erlebten durch Peulot, Wertevermittlungen, Geschichten, Rituale und Gruppenaktivitäten, wie jüdische Geschichte und jüdische Zukunft zusammengehören. Ein besonderer Fokus lag auf dem Gedenken an den 7. Oktober 2023 und der Frage, wie wir als jüdische Gemeinschaft Trauer, Hoffnung und Zusammenhalt leben können. Das Motto wurde wie immer altersgerecht auf den Machanot umgesetzt.

In Italien hatten die Jugendlichen die Möglichkeit, zwei Dokumentarfilme im Virtual Reality-Format zu der Thematik Shoa und 7. Oktober zu schauen. Es gab viel Gesprächsbedarf, es wurde diskutiert und reflektiert. Ein 2-tägiger Ausflug in die Toskana gehörte in Italien zu den Highlights. Die Chanichot und Chanchim übernachteten in Olivenhainen unter freiem Himmel. Auf dem Gelände in der Natur wurden verschiedene Workshops angeboten, Yoga, Wandern, Pizzabacken und den Kräutergarten entdecken. Der Tag endete für alle mit einem großen Lagerfeuer mit „Shira beZibur“, dem gemeinsamen Singen. In Siena wurde die Synagoge besucht und die Stadt besichtigt. 

Auch dieses Jahr hatte die ZWST wieder eine Gruppe Jugendlicher aus Israel nach Italien eingeladen. Die 45 israelischen Jugendlichen (14-16 Jahre) aus dem Süden Israels genossen den unbeschwerten Aufenthalt mit vielfältigen Aktivitäten. Sie hatten die Möglichkeit, von einem fordernden Alltag abzuschalten, der die Menschen in Israel seit dem 7. Oktober 2023 belastet: 2 Jahre unter andauernder Anspannung und Unsicherheit. 

Auch im Max-Willner-Heim in Bad Sobernheim wurde das Motto „Derech“ für die 8-11jährigen Teilnehmenden in verschiedenen Projekten altersgerecht umgesetzt. Zum Beispiel war im ersten Turnus jeder Tag mit einem Wert verbunden: Familie, Tradition, Mut, Neugier u.a . Darüber hinaus hatten die Kinder die Möglichkeit, in vielfältigen Sportchugim (AG) aktiv zu werden. Dazu gehörte Fußball, Tischtennis, Basketball, Badminton, wobei das Reiten immer ein ganz besonderer Favorit ist. Wer kreativ werden wollte, konnte sich in Chugs wie Origami, Ton oder Batik ausprobieren. Zum Programm gehörten Ausflüge unter anderem zum Kletterwald in Wiesbaden, zum Luisenpark in Mannheim und nicht zuletzt das Schwimmbad und der Barfußpfad in Bad Sobernheim. 

Die Sommermachanot 2025 wurden zu einem Ort, an dem die Kinder und Jugendlichen nicht nur Spaß hatten und neue Freundschaften knüpften, sondern auch wuchsen – in ihrem Wissen, ihrem Bewusstsein und ihrem Selbstverständnis als junge Jüdinnen und Juden in Deutschland.  
Bericht von der ZWSTJugend


Bat Mitzwa auf Machane in Bad Sobernheim

Es ist der zweite Turnus der Sommermachanot und die Jugendlichen erleben etwas Besonderes: Raffaella und Liel sind gerade zwölf Jahre alt geworden und nach diesem Geburtstag feiern sie ihre Bat Mitzwa. Das Fest markiert den Übergang zum Erwachsenwerden. Von jetzt an müssen sie ihren eigenen Weg in die jüdische Religion, deren Gesetze und Traditionen finden.  „Ab jetzt sind wir nicht mehr Kinder, sondern übernehmen Verantwortung für unser jüdisches Leben“, erläutert Raffaella. Und Liel fügt hinzu: „Es bedeutet, dass wir Teil von etwas Größerem sind – von unserer Geschichte, unseren Traditionen und unserem Volk.“ So haben es die beiden Mädchen in einer Rede gemeinsam formuliert, die sie bei der Feier halten werden. 
In der Fortbildung „Darkech“ haben sie sich auf diesen Tag vorbereitet. Diese 4-teilige Seminarreihe der ZWST bietet den Teilnehmerinnen die einmalige Gelegenheit, ihr jüdisches Erbe zu entdecken und über Traditionen zu lernen. Im Winter 2025 startet der 5. Jahrgang dieses Programms. 
Aufregung und Freude erfüllen Raffaella und Liel an dem Freitag vor dem Schabbat, an dem sie im Kreis der Chanichim das Fest feiern werden. Überraschend sind dazu auch ihre Mütter angereist. Ein großer Tag. Die Tafel und der Saal sind festlich geschmückt, Musik und Tanz sowie ein Festessen vorbereitet. Alle haben dabei mitgeholfen und eigenhändig die traditionelle Challa, Hefegebäck in Form eines Zopfs, in einer fröhlichen Mehl-Schlacht geformt. 
Es kommt nicht von ungefähr, dass die diesjährigen Machanot unter dem Motto „Der Weg“ stehen. Für die 114 Kinder, 66 Mädchen und 48 Jungen der zweiten Runde, ist „Sobi“, wie das weitläufige Terrain hoch über der Stadt liebevoll genannt wird, auch eine Station auf ihrem Weg, auf dem sie Zugang zu ihrer Religion finden sollen. „Sie haben hier die Möglichkeit, ihr Judentum frei zu leben“, erklärt Xenia, langjährige Betreuerin und Rosha der Freizeiten. Anfeindungen, die sonst in immer stärkerem Ausmaß ihren Alltag prägen, bleiben außen vor. Die Freizeiten im „Sobi-Land“ sind fester Bestandteil der Jugendarbeit der ZWST und bestens bekannt innerhalb der jüdischen Gemeinschaft. Viele der Leiter:innen haben selbst daran teilgenommen. „Ich war zum ersten Mal hier, als ich acht Jahre alt war“, erinnert sich Xenia.  Marion Unger, Freie Journalistin (Auszug)